BSR 47: Massenpsychose condensed (pt. 3)

Die Ideologisierung

In Teil 1 über das Thema Massenpsychose haben wir im Zeitraffer die Entwicklung der Menschheit beleuchtet mit dem Fokus auf die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, die nicht nur segensreich waren, sondern diverse Ängste der Menschen hervorgerufen haben, die es früher nicht gab – Ängste vor den Kräften, die der Mensch selbst in der Lage ist zu entfachen und mit denen der Mensch mehr und mehr in die Lage versetzt wird, die Natur, die Schöpfung nach seinen Wünschen zu beeinflussen und zu gestalten. Ist die ursprüngliche Aufgabe der Wissenschaft, ihre Theorien an die Wirklichkeit anzupassen, so hat der technologische Fortschritt mittlerweile zu einem weiteren Kipppunkt geführt, auf den ich gleich zurückkomme.

In Teil 2 zur Massenpsychose haben wir einen anderen Kipppunkt kennengelernt – den Kipppunkt eines Einzelnen, der zu einem Hypnose-ähnlichen Zustand führt, wenn diffuse Ängste, Orientierungslosigkeit und Aggressionen auf ein Feindbild projiziert werden können, welches medial transportiert wird, und auf diese Weise plötzlich eine lang ersehnte Orientierung und Zusammengehörigkeit entsteht.

Der Kipppunkt des technologischen Fortschritts ist der Punkt, an dem die Aufgeschlossenheit und die Weltoffenheit der Wissenschaft umschlagen in narzisstisch geprägte Allmachtsfantasien. Diese münden letztlich in eine Ideologisierung der Wissenschaft. Die Theorien der Wissenschaft werden nicht mehr an die Wirklichkeit angepasst, wie es sein sollte, sondern die Wirklichkeit wird mehr und mehr an die ideologisierten Theorien der Wissenschaft angepasst. Beispielhaft genannt seien Themen wie Klimawandel, Bedrohung durch das Corona-Virus, Nutzen der Corona-Impfung, Transhumanismus, Gentechnologie, im Labor gezüchtetes Fleisch, die allesamt kaum sachlich und ideologiefrei debattiert werden können.

Der Mensch gestaltet die Natur mehr und mehr nach seinen Wünschen. Die alles überspannende Ideologie lautet: Die Welt ist eine Maschine, die aus fassbaren und messbaren Komponenten besteht. Deswegen ist es nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich, dass das gesellschaftliche Geschehen von technokratischen Experten global analysiert und gesteuert wird, die auf Basis objektiver Daten rational entscheiden.

Zahlen haben einen einzigartigen psychologischen Effekt. Sie erzeugen eine nahezu unwiderstehliche Illusion der Objektivität, insbesondere wenn sie in Form von Grafiken oder Charts präsentiert werden. Sie werden von den meisten Menschen als Fakten wahrgenommen. Aber Zahlen sind stets relativ und mehrdeutig und dienen in der Regel dem gewünschten Narrativ und der vorherrschenden Ideologie. Um dies zu erkennen, bedarf es einer ausreichenden Zahlenkompetenz.

Wurden die religiösen Dogmen der Vergangenheit und die damit verbundene Unfreiheit des Menschen durch das Zeitalter der Aufklärung überwunden, wirft uns die zunehmende Ideologisierung in der Gesellschaft mehr und mehr in das Zeitalter der Unfreiheit zurück, aus der sich der Mensch die vergangenen 400 Jahre zu befreien suchte. Es bildet sich eine neue gesellschaftliche Moral heraus, die den Debattenraum mehr und mehr verkleinert und die beispielsweise mit Stichworten wie Woke, LGBT, Cancel Culture oder Transgender bizarre Züge annimmt. Diese neue gesellschaftliche Moral leistet dem Ausbau der gesellschaftlichen Regelungs- und Kontrollmechanismen weiteren Vorschub. Dem psychischen Wohlbefinden des Menschen ist das keineswegs dienlich. Der Raum für Autonomie und persönliche Freiheit wird zusehends kleiner.

Die Wortführer

In Teil 2 zur Massenpsychose wurde ein Hypnose-ähnliche Zustand beschrieben, der sich einstellt, wenn eine Massenpsychose „ausgelöst“ wird. Der Unterschied zu einer realen Hypnose, bei der der Hypnotiseur „wach“ bleibt, besteht darin, dass bei einer Massenpsychose die Wortführer in der Regel ebenfalls der Ideologie verfallen und sich ihr Blickfeld genauso einschränkt, wie das der Massen. Das heißt jedoch nicht, dass die Wortführer selbst alles glauben, was sie erzählen. Sie handeln mehr nach der Maßgabe „der Zweck heiligt die Mittel“. Um die Massen dazu zu bewegen, der Ideologie zu folgen, darf, wenn nötig, auch die Wahrheit geopfert werden.

In Bezug auf die Wortführer lassen sich bei den Menschen zwei Phänomene beobachten: Entweder man glaubt dem Wortführer alles. Oder man glaubt dem Wortführer nichts und unterstellt ihm, einen böswilligen Plan auszuführen. Beide Positionen erscheinen gleichermaßen problematisch. Dem Wortführer wird nämlich in beiden Fällen absolutes Wissen unterstellt, über das er natürlich nicht verfügt, welches er im ersten Falle positiv nutzt und im zweiten Falle negativ. Der Wortführer ist vielmehr selbst fest im Griff der Ideologie und daher in seiner Wahrnehmung genauso eingeschränkt wie die Massen.

Die Massen

Menschen, die von einer Massenpsychose erfasst werden, wissen zwar nicht so ganz, was sie tun. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, unmoralische Handlungen leichtfertig zu entschuldigen. Der Mensch hat auch im Zustand der Massenpsychose stets die Möglichkeit, seine Handlungen nach moralischen und ethischen Grundsätzen zu wählen.

Besonders zu beachten ist die Anonymität des Einzelnen in der Masse. Dies führt bei dem oder anderen dazu, dass er alle gesellschaftlichen Fesseln abwirft und seine wahre Natur zum Vorschein kommt. Wer also in einer Situation der Massenpsychose  kriminelle oder unmoralische Handlungen begeht, tut damit kund, dass er in „normalen“ Zeiten lediglich aus taktischen Gründen seine wahre Natur im Zaume hält, aber nicht aus moralischen oder ethischen. So gesehen fördert ein Massenphänomen die tatsächliche moralisch-ethische Verankerung (oder ihr Fehlen) des Einzelnen zutage.

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass die Masse stets bereit zu sein scheint, ihren Anführern zu vergeben. Selbst eindeutige Beweise von Manipulation und Betrug werden reingewaschen mit Formulierungen wie „Letztlich machen sie es doch nur zu unserem Besten“.

Das Ergebnis der Ideologisierung

„Wenn wir unser historisches Ziel erreichen wollen – die Herrschaft des Proletariats, die Erzeugung der Herrenrasse –, dann müssen wir den gesamten Adel und alle Bauern beseitigen, alle Juden und alle Behinderten.“ Usw.

Aber auch: „Wenn wir die Intensivstationen vor dem Überlaufen bewahren wollen, müssen wir in den Lockdown gehen und das gesamte gesellschaftliche Leben herunterfahren, den alten Menschen verbieten, ihre Kinder und Enkel zu sehen, auf erste Hilfe verzichten, verhindern, dass Mütter unmittelbar nach der Geburt ihre Neugeborenen in den Arm nehmen, Demonstrationen gegen diese drakonischen Maßnahmen verbieten und nicht gegen Corona geimpften Menschen das Reisen und das Arbeiten in Gesundheitsberufen verbieten.“

Hätte jemand derartige Gedanken vor 2020 geäußert, wäre er für verrückt erklärt worden. Die Logik ist, wer A sagt, muss auch B sagen. Wer also einmal das ideologische Narrativ akzeptiert hat, wird alle sich daraus ergebenden Konsequenzen mitgehen und alle logischen Gegenargumente ignorieren. Die sich daraus entfaltende Eigendynamik macht auch vor moralischen und ethischen Grenzen nicht Halt und entwickelt selbstzerstörerische Züge.

Dabei kann durchaus davon ausgegangen werden, dass jede Ideologie einmal mit einem guten Grund begonnen hat – lange bevor sie zur Ideologie wurde. Der Solidarität verschrieben, streben die Massen nach dem Höheren in dem Glauben, dass sie auf das ideologische Paradies zusteuern. Die Geschichte zeigt jedoch, dass dies jedes Mal in einen Strudel der Zerstörung  und damit geradewegs in die Hölle führte.

Doch auch diejenigen, die nicht von der Massenpsychose erfasst werden, die Non-Konformisten, laufen Gefahr von etwas erfasst zu werden – nämlich von der Idee einer großen Verschwörung. Dies ist psychologisch ähnlich verlockend, wie der Ideologie zu folgen. Die Ursache für die unerwünschte Situation wird gerne auf ein Feindbild projiziert, um sie kognitiv beherrschbar zu machen. Insofern ist der Verschwörungsgedanke verlockend und vielleicht nicht einmal falsch. Aber auch der Verschwörungsgedanke droht eine Eigendynamik zu entfalten, die in ihrer extremen Form dem wahrgenommenen „Feind“ unendlich viel Macht zuschreibt.

Systeme neigen dazu, diejenigen Menschen in bestimmte Positionen zu befördern, die einer bestimmten Ideologie zugetan sind. Dementsprechend finden sich an den Schaltstellen der Macht in der Regel eben jene Personen, die automatisch den mit einer Ideologie einhergehenden Regeln folgen, sowohl auf das Denken bezogen als auch auf das Handeln.

Es ist letztlich ein Wechselspiel zwischen systemimmanenter Eigendynamik und der stattfindenden Beeinflussung des Systems durch den einen oder anderen Weltmachtsaspiranten. Was dabei den größeren Anteil hat, möge der geneigte Leser selbst entscheiden. Unstrittig ist, dass die Mechanisierung, Industrialisierung, Technologisierung und Medialisierung zu einer noch nie dagewesenen Zentralisierung von Macht geführt hat und dass die verschiedensten Interessensgruppen gerne der Menschheit ihren Stempel aufdrücken möchten.

Der Glaube, dass allein der menschliche Geist das Leitmotiv für Leben und Gesellschaft ist, ist verlockend. Er strebt danach, eine künstliche Gesellschaft zu formen, die von Technokraten und Experten angeführt wird, die basierend auf ihrem technischen Verständnis dafür sorgen, dass die Gesellschaftsmaschinerie reibungslos funktioniert. Der Einzelne wird dabei der Allgemeinheit, dem Kollektiv, vollständig untergeordnet und auf ein Rädchen im Getriebe reduziert.

Eine ideale Technik-basierte Gesellschaft war der Kern der Aufklärung – im positiven Sinne. Dies kippte vom gesunden Wissensdurst und Erkenntnisdrang ins Ideologische, als nicht mehr Gott, sondern stattdessen der menschliche Verstand angebetet werden sollte, um den Weg in die Utopie einer friedlichen und freien Gesellschaft zu ebnen. Die Technokratie präsentiert sich dabei gerne als den Gipfel der Wissenschaft. Das technokratische Paradies macht die Bevölkerung glücklich und gesund. Diese Wissenschaftsbesessenheit und der damit verbundene Glaube an ein künstlich zu schaffendes Paradies führen in letzter Konsequenz in eine totalitäre Gesellschaft.

Der Ausweg

Die Reise der Naturwissenschaft wird nicht enden, weil sie kein Ende hat. Sie ist unvollständig und wird es immer bleiben. Die Naturwissenschaft wird nicht alle Fragen des Lebens beantworten. Das Wesentliche wird nicht durch die rationale Erkenntnis beschrieben. Die Wirklichkeit kann nicht auf ein mechanistisches, technokratisches Gerüst reduziert werden. Und deswegen darf das ausschließlich Rationale auch nicht in sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens vordringen. Das gilt insbesondere für ihre ideologisierte Form der Technokratie und den sich daraus entwickelnden totalitären Strukturen. Der Mensch ist kein ausschließlich rationales Wesen.

Schon der deutsche Philosoph Georg Friedrich Hegel wusste, „das Wahre ist das Ganze“. Und auch die großen Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts erkannten, dass die Naturwissenschaft nicht alles ist. In seinem 1937 gehaltenen Vortrag „Religion und Naturwissenschaft“ schrieb Max Planck:

„Unter diesen Umständen ist es nicht zu verwundern, wenn die Gottlosenbewegung, welche die Religion als ein willkürliches, von machtlüsternen Priestern ersonnenes Trugbild erklärt und für den frommen Glauben an eine höhere Macht über uns nur Worte des Hohnes übrig hat, sich mit Eifer die fortschreitende naturwissenschaftliche Erkenntnis zunutze macht und im angeblichen Bunde mit ihr in immer schnellerem Tempo ihre zersetzende Wirkung über die Völker der Erde in allen ihren Schichten vorantreibt. […]

„Die Naturwissenschaft braucht der Mensch zum Erkennen, die Religion aber braucht er zum Handeln. Für das Erkennen bilden den einzigen festen Ausgangspunkt die Wahrnehmungen unserer Sinne, die Voraussetzung einer gesetzlichen Weltordnung dient hier nur als die Vorbedingung zur Formulierung fruchtbarer Fragestellungen. Für das Handeln ist aber dieser Weg nicht gangbar, weil wir mit unseren Willensentscheidungen nicht warten können, bis die Erkenntnis vollständig oder bis wir allwissend geworden sind. Denn wir stehen mitten im Leben und müssen in dessen mannigfachen Anforderungen und Nöten oft sofortige Entschlüsse fassen oder Gesinnungen betätigen, zu deren richtiger Ausgestaltung uns keine langwierige Überlegung verhilft, sondern nur die bestimmte und klare Weisung, die wir aus der unmittelbaren Verbindung mit Gott gewinnen. Sie allein vermag uns die innere Festigkeit und den dauernden Seelenfrieden zu gewährleisten, den wir als das höchste Lebensgut einschätzen müssen; und wenn wir Gott außer seiner Allmacht und Allwissenheit auch noch die Attribute der Güte und der Liebe zuschreiben, so gewährt die Zuflucht zu ihm dem trostsuchenden Menschen ein erhöhtes Maß sicheren Glücksgefühls. […]

„Religion und Naturwissenschaft – sie schließen sich nicht aus, wie manche heutzutage glauben oder fürchten, sondern sie ergänzen und bedingen einander. Wohl den unmittelbarsten Beweis für die Verträglichkeit von Religion und Naturwissenschaft auch bei gründlich-kritischer Betrachtung bildet die historische Tatsache, dass gerade die größten Naturforscher aller Zeiten, Männer wie Kepler, Newton, Leibniz von tiefer Religiosität durchdrungen waren.“

„Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler steht er am Ende aller Überlegungen.“

Und damit schließt sich der Kreis. Was als Befreiung von mittelalterlichen religiösen Dogmen begann und zu enormen Erkenntnissen und Errungenschaften für die Menschheit führte, degenerierte auf dem Weg. Die Wissenschaft bildet nur gemeinsam mit der Religion ein stimmiges Ganzes. Erhebt die Wissenschaft den Anspruch, an die Stelle der Religion zu treten und gottgleich verehrt zu werden, wird sie zum Götzen und mutiert dadurch zur Ideologie.

Worauf das hinausläuft, ist klar zu erkennen. Anhand der biblischen Geschichten und ihren immer wiederkehrenden Mustern, wird deutlich, worauf die Menschheit in ihrer Entwicklungsgeschichte gerade zusteuert. Wann immer sich der Mensch anschickte, den Platz Gottes einzunehmen, nahm es kein gutes Ende. Es wurde ein Neuanfang nötig – ein Great Reset, wenn man so will. Aber ein anderer, als der von Klaus Schwab.

Jonathan Pageau erläutert diese biblischen Muster und wo die Menschheitsentwicklung gerade steht in den folgenden (engl.) Videos sehr anschaulich.

(Dieser dreiteilige Blog-Beitrag zur Massenpsychose orientiert sich stark verkürzt an dem sehr lesenswerten Buch von Prof. Mattias Desmet „The Psychology of Totalitarianism“.)