BSR 86: Die Simulation der Realität – Baudrillards Theorie der Simulacra und ihre Bedeutung in der modernen Gesellschaft

Jean Baudrillards Werk „Das Andere selbst“ von 1972 sowie seine späteren Ausführungen in „Simulacres and Simulation“ von 1981 bieten eine scharfsinnige Kritik an der Art und Weise, wie Zeichen, Bilder und Modelle unsere Wahrnehmung der Welt formen. In einer Zeit, in der das digitale Zeitalter und die Medien allgegenwärtig sind, erscheinen seine Theorien heute aktueller denn je. Baudrillard beschreibt einen tiefgreifenden Wandel, bei dem Zeichen nicht mehr die Realität widerspiegeln, sondern eine eigene, autonome Existenz entwickeln – eine Hyperrealität, in der das „Reale“ zunehmend irrelevant wird.

Baudrillard beginnt seine Auseinandersetzung mit dem Konzept des „symbolischen Tauschs“ mit einer Kritik an den Zeichen und ihren Bedeutungen. In der traditionellen Welt war das Zeichen ein Spiegel der Realität, doch zunehmend entzieht sich dieses Zeichen seinem ursprünglichen Bezug. Baudrillard beschreibt drei Phasen des Zeichens, die jeweils eine neue Entwicklung in unserer Wahrnehmung der Welt markieren:

  • Imitation: Zeichen sind Abbilder realer Gegenstände. Sie spiegeln ihre „wahre“ Bedeutung wider.
  • Produktion: Mit der Industrialisierung und der Massenproduktion von Waren verlieren diese Zeichen zunehmend ihre Authentizität.
  • Simulation: Zeichen sind völlig losgelöst von der realen Welt, sie existieren in einem autonomen System sozialer und symbolischer Macht.

Mit der Entwicklung von Zeichen von der Imitation zur Simulation wird Realität zunehmend durch Zeichen ersetzt, die sich ihrer ursprünglichen Bedeutung entziehen.

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BSR 82: Im Gespräch mit ChatGPT über Gott und die Welt

Markus Langemann vom Club der klaren Worte[1] fragte jüngst ChatGPT nach dem Teufel und veröffentlichte die Antwort, die er bekam, auf YouTube.

„Wenn Sie der Teufel wären, wie würden Sie den Verstand der nächsten Generation zerstören?“

Eine Woche später fragte er ChatGPT nach Gott. Auch diese Antwort veröffentlichte er auf YouTube.

„Wenn Sie Gott wären, wie würden Sie den Verstand der nächsten Generation vor der Zerstörung des Teufels retten?“

Beide Antworten haben mich beeindruckt. Deswegen sind beide Videos am Ende dieses Beitrags verlinkt.

Ich wollte es genauer wissen. Deshalb habe ich die gleiche Frage wie er an ChatGPT gestellt. Na ja, fast die gleiche. Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass ich ChatGPT duze, während Herr Langemann als Vollblut-Journalist die höflichere Form des „Sie“ vorzog.

Die Antwort, die ich von ChatGPT bekommen habe[2], unterscheidet sich in der Struktur stark von der Antwort, die Markus Langemann bekam. In ihrer zentralen Aussage gibt es allerdings große Übereinstimmung.

Ob der Unterschied auf meine mangelnde Höflichkeit mit meinem plumpen „Du“ zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich den Dialog als unregistrierter Gast gestartet habe, ich also nur „zweite Wahl“ war. Oder ich bin nicht der Einzige, der die Probe aufs Exempel gemacht hat und ChatGPT hat inzwischen gelernt.

Wie dem auch sei – es entspann sich ein in meinen Augen lesenswerter Dialog, den ich im Folgenden unredigiert wiedergebe. Ich hätte ihn gerne weitergeführt, aber die Anzahl der Fragen als nicht registrierter Gast ist begrenzt – zweite Wahl eben. Insbesondere die Antwort auf meine letzte Frage hätte mich interessiert.

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BSR 76: Der Westen condensed

In der gesamten westlichen Welt leben wir in einem Zeitalter von nahezu grenzenlosem Wohlstand, von persönlicher Freiheit und von fast unbegrenzten Möglichkeiten und Chancen, während ein großer Teil der übrigen Welt weiterhin unter den Fesseln leidet, die die Menschheit seit jeher geplagt haben. Der durchschnittliche westliche Bürger ist weitgehend frei von der Gefahr des Verhungerns, vermeidbarer Krankheiten und erdrückender Armut. Und obwohl die Gefahr eines Krieges näher gerückt ist, konnten wir nahezu acht Jahrzehnte lang fast ununterbrochenen Frieden genießen.

Dennoch ist den meisten von uns gar nicht bewusst, wie ungewöhnlich und kostbar unsere Freiheiten und Annehmlichkeiten sind. Sie sind ein Erbe, das wir allzu oft als selbstverständlich ansehen. Wir sollten es stärker zu schätzen wissen und entsprechend schützen. Und es fällt selbst denjenigen von uns, die das erstaunliche Ausmaß dieser Errungenschaften begreifen, oft schwer zu erklären, wie wir sie erreicht haben.

In den letzten Jahren tauchte immer öfter die Frage auf, warum Länder auf der ganzen Welt, von Australien bis zu den Vereinigten Staaten, mit demselben geografischen Namen „Westen“ bezeichnet werden. Diese Verwirrung ist ein Zeichen dafür, dass wir in zunehmendem Maße vergessen, wer wir sind und woher wir kommen.

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BSR 74: Grundgesetz condensed

Aus gegebenem Anlass erscheint es zweckmäßig, einige Highlights des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu zitieren, um sie bei dem ein oder anderen Bürger und vor allem bei dem ein oder anderen öffentlichen Mandatsträger wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Artikel 1

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

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BSR 71: Zensur und Redefreiheit condensed

Der Sinn der Rede- und Meinungsfreiheit besteht darin, dass wir alle die Freiheit haben sollten, alle Arten von Ideen zu erforschen. Nur so können wir Wahrheitsansprüche auf Fehler überprüfen. Niemand von uns ist unfehlbar und verfügt über die ganze Wahrheit. Wir sind darauf angewiesen, dass andere unsere Fehler korrigieren und uns lehren, was wir nicht wissen.

Doch die westlichen Regierungen und die Big Tech Unternehmen schwingen sich in zunehmendem Umfang zu Wächtern der Wahrheit auf.

Nehmen wir zum Beispiel Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland:

„Vergessen Sie alles andere. Wir werden weiterhin Ihre einzige Quelle der Wahrheit sein“.

Das sagte Jacinda Ardern den Bürgern ihres Landes während der Covid-Krise.

Hatte sie Recht?

Gibt es eine einzige Quelle der Wahrheit?

Wenn ja, ist es die Regierung?

Sind es die großen Social-Media-Plattformen?

Die Regierung und die Social-Media-Plattformen behaupten, dass sie uns vor „Fehlinformationen“ schützen wollen.

Tun sie das wirklich? Oder zensieren sie nur Standpunkte, die ihnen nicht gefallen?

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BSR 70: Selbstdisziplin condensed

Du suchst eine Abkürzung? Du wirst sie nicht finden.

Und wenn Du glaubst, eine Abkürzung gefunden zu haben, wirst Du eine Überraschung erleben. Denn sie wird Dich nicht dorthin führen, wo Du sein möchtest.

Ziele erreichen, Hindernisse überwinden, das Beste in Dir zum Leben erwecken – all das geschieht nicht von selbst.

Nicht von selbst!

Es erfordert harte Arbeit, spät abends, früh morgens, Übung, Wiederholung … Disziplin.

Disziplin.

Ohne Disziplin geht nichts!

Schneller werden, schlauer werden, stärker werden, besser werden, gesund bleiben.

Disziplin.

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BSR 59: Nonkonformität condensed

Der große amerikanische Philosoph des 19. Jahrhunderts, Ralph Waldo Emerson, glaubte, dass wir ein Nonkonformist sein müssen, um zu gedeihen. Wenn wir nur denken, was andere denken, und tun, was andere tun, schränken wir unser Potenzial ein und machen unsere Gesundheit oder Krankheit von gesellschaftlichen Kräften abhängig, die wir nicht kontrollieren können. Also schrieb er ein Plädoyer für die Nonkonformität.

Konformismus bedeutet, dass wir unser Leben an den vorherrschenden Normen, Werten und Idealen unserer Gesellschaft ausrichten. Es bedeutet, dass wir zulassen, dass die Grenzen und Schablonen unserer Kultur unser Selbstverständnis prägen. Die meisten von uns werden zu Konformisten, ohne darüber nachzudenken, was sie tun – wir sehen, dass alle um uns herum konform sind, und so fühlt es sich natürlich an, das Gleiche zu tun. Aber Konformität hat ihren Preis.

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BSR 41: „Warum nicht Whatsapp?“ condensed

Neulich. Neues Schuljahr. Erstes Meeting des Elternbeirats. Am Ende des Treffens tauchte die fast schon obligatorische Frage auf, welchen Messenger wir für unsere Kommunikation innerhalb des Elternbeirats nutzen wollen?

Ich war für alles offen, außer für Whatsapp. Alle anderen waren für Whatsapp. Der Frage nach dem „Warum?“ bin ich ausgewichen, weil ich den Rahmen des Meetings nicht durch einen zweistündigen Vortrag sprengen wollte. Aber ich fühlte mich anschließend inspiriert, den vermeintlich zweistündigen Vortrag auf einen möglichst kurzen Blog-Beitrag zu reduzieren, um die Frage nicht unbeantwortet zu lassen.

Datenschutz

Es sollte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, dass die Datenschutzbestimmungen von Whatsapp unzureichend sind. Whatsapp schneidet diesbezüglich in Messenger-Tests grundsätzlich schlecht ab. Viele andere Messenger übrigens auch. Von Whatsapp wird in den höheren Schulen abgeraten, wenn es um den Aufbau von Social-Media Kompetenz der Schüler geht. Whatsapp wird von den IT-Abteilungen der meisten Unternehmen auf Firmenhandys verboten. Whatsapp teilt alle Daten mit Facebook bzw. Meta. Und man verliert alle Rechte an seinen geposteten Texten, Bildern etc., die von Whatsapp bzw. Facebook bzw. Meta beliebig verwendet werden können. Das ist den meisten Menschen nicht neu.

Zensur

Facebook zensiert zielgerichtet durch Löschen, was nicht in das gewünschte Narrativ passt, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Ähnlich wie die EU russische Informationskanäle zensiert.

Und damit wird der zu betrachtende Bogen plötzlich größer.

Denn wir wissen ganz genau: Wer zensiert, hat Angst vor der Wahrheit. Und wer die Wahrheit unterdrückt, führt ganz sicher nichts Gutes im Schilde.

Die freie Meinungsäußerung ist die Essenz einer demokratischen Gesellschaft und ihrer Weiterentwicklung. Das Wesen der Demokratie ist nicht, wie von vielen Menschen angenommen, die Wahl, sondern der offene Debattenraum. Eine offene, sachorientierte Debatte führt in der Regel zu einer guten Lösung. Erst bei gleichwertigen Lösungen sollte als Ultima Ratio eine Wahl in Betracht kommen.

Noch einmal: das Wesen der Demokratie ist der offene Debattenraum! Die Voraussetzung dafür: die freie Meinungsäußerung!

Und mehr noch: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist die entscheidende Grundlage für alles, was den Menschen zum Menschen macht. Das gesamte menschliche Denken hängt von der Möglichkeit der freien Meinungsäußerung ab. Denn das Denken ist vom Reden praktisch nicht zu unterscheiden.

Zensur ist somit ein No-Go. Und damit ist auch Facebook und seine Produkte ein No-Go! Zumindest für mich.

(Nachtrag vom 09.06.2024: Wer nicht so genau weiß, was ich meine, oder dies für überzogen hält, aber dennoch offen ist und mehr über die Zensur von Social Media, insbesondere Facebook erfahren möchte, dem sei das im Mai 2024 erschienene Buch „Die Digitale Bevormundung“ von Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel sehr ans Herz gelegt.)

Was tun?

Nun stellt sich die Frage: Was kann ich kleines Licht tun? Und damit wird der Bogen wieder kleiner. Was kann ich als einzelner tun?

Wenn ich weiß, dass Whatsapp zu einem Big Data Konzern gehört, den nicht nur Datenschutz nicht interessiert, sondern der systematisch zensiert, was nicht in (s)ein gewünschtes Narrativ passt, und damit die freie Meinungsäußerung nicht nur behindert, sondern verhindert, könnte ich ganz einfach aufhören, seine Produkte zu nutzen. Wie wäre das?

Manchmal ist es ganz einfach, einen kleinen Beitrag zu leisten. Wenn man sich seiner individuellen Verantwortung bewusst ist und ihr nachkommt. Und wenn alle kleinen Lichtlein ihren kleinen Beitrag leisten, wird es auf einmal ganz hell und kann eine große Wirkung haben.

Die Anzahl an Whatsapp-Alternativen ist groß. Die meisten sind hinsichtlich Datenschutz offensichtlich ebenfalls wenig empfehlenswert. Aber nur wenige gehören zu einem systematisch zensierenden Großkonzern.

Wenn es um die Wahl des Messengers geht, steht in meinem Wertesystem die individuelle moralische Verantwortung, das Richtige zu tun, und Whatsapp, Facebook, Twitter etc. nicht zu nutzen, über der Bequemlichkeit, die eine Nutzung vielleicht mit sich brächte.

BSR 39: Das Auge des Horus condensed

Die meisten von uns kennen es. Es ist Gegenstand so mancher Verschwörungstheorie und vielleicht auch so mancher Verschwörungspraxis. Wer weiß das schon? Das allsehende Auge.

Aber woher kommt es? Was hat es damit auf sich?

Dazu begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise. Wir reisen in die ägyptische Mythologie und reduzieren sie dabei auf das in diesem Zusammenhang Wesentliche, um anschaulich zu bleiben.

Werfen wir einen Blick auf die Akteure:

Da ist Osiris. Osiris ist der alte König. Er ist der Geist, der den ägyptischen Staat gegründet hat. Als er jung war, war er ein großer Held. Aber jetzt ist er alt. Er ist archaisch. Und er sieht wissentlich über Vieles hinweg.

Osiris hat einen Bruder, Seth. Seth ist Satan. Er ist ein Vorläufer der westlichen Vorstellung von Satan.

Isis ist die Königin der Unterwelt, des Unbekannten, des Chaos. Und Isis war die Göttin einer religiösen Struktur, die über Tausende und Abertausende von Jahren herrschte.

Und dann gibt es noch Horus. Horus ist ein Falke und das ägyptische Auge. Jeder kennt das Auge mit der offenen Pupille. Horus ist ein Falke, weil Falken viel besser sehen können als wir Menschen. Sie können besser sehen als alle anderen, außer vielleicht Adler. Und sie fliegen hoch über allem.

Osiris, Seth, Isis und Horus sind die Akteure.

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BSR 38: Monotheismus condensed

Das alte Ägypten, das alte Griechenland, das alte Rom und die vielen anderen Hochkulturen der Vergangenheit – sie alle waren bekanntlich polytheistische Kulturen, Gesellschaften mit vielen Göttern. Jeder Gott hatte seinen „Zuständigkeitsbereich“. Jeder Gott repräsentierte bestimmte Ideale. Ihnen gerecht zu werden, forderte von den Menschen bestimmte Rituale und bestimmte Verhaltensweisen. Es war als Mensch daher sicher kein Leichtes, so vielen Göttern gleichzeitig zu huldigen.

Die jüdisch-christlichen wie auch die islamischen Kulturen kennen hingegen nur einen Gott.

Doch wie ist im Laufe der Zeit aus den vielen Göttern nur einer geworden? „BSR 38: Monotheismus condensed“ weiterlesen