Stellen Sie sich auch manchmal die Frage, wo, in welchen Regionen, in welchen Hauptstädten bedeutender Länder dieser Welt, noch eine neue Generation von Diplomaten und Think Tank Experten ausgebildet wird, die die Souveränität von Nationalstaaten mit Nachdruck befürwortet?
Vielleicht die eurasischen Länder, weil diese die Rechtsstaatlichkeit (law-based) durch die UNO und insbesondere den Sicherheitsrat einfordern?
Ich bin mir nicht sicher. Denn auch sie suchen nach alternativen transnationalen Währungen – in digitaler Form. Und auch sie sind ebenso sehr wie die westlichen Staaten am Thema digitale Identität (ID) interessiert – wenn nicht sogar noch stärker als einige der europäischen Länder.
Die Idee eines digitalen Ausweises führt uns geradewegs zurück in den mittelalterlichen Feudalismus. Man kann sich zwar im Prinzip frei bewegen, ist aber dennoch „gebrandmarkt“. Jeder weiß, wohin man gehört, sodass ein Entfliehen aus einer Tyrannei kaum mehr möglich ist. Und mit der digitalen ID in Verbindung mit der digitalen Zentralbankwährung (CBDC) lässt sich der Geldhahn von heute auf morgen gänzlich zu drehen.
Je weiter man in Eurasien nach Osten schaut, desto pingeliger werden die Menschen. Denn natürlich bestehen Europa und Afrika aus mehreren ziemlich künstlichen Staaten. Im Osten Asiens ist das anders. Selbst im multi-ethnischen Indien mit seinen Hunderten von Nationalitäten gibt es ein starkes Gefühl dafür, dass Indien ein Staat ist und man ihn nicht auflösen kann. Und dieses Gefühl setzt sich fort, wenn man weiter nach Osten geht. Es wird also schwieriger sein, die Egos der dort Regierenden auf Linie zu bringen.
Vielleicht gibt es einige christliche Länder in „Schwarz-Afrika“, wo der Wunsch nach nationaler Souveränität bei den nachrückenden Generationen noch weit verbreitet zu sein scheint.
Das ist umso erstaunlicher, als die Grenzen der heutigen afrikanischen Nationalstaaten in der Kolonialzeit in großem Umfang mit dem Lineal auf der Landkarte gezogen wurden – ohne besondere Rücksicht auf historisch gewachsene Stammesgebiete. Dass sich gerade dort, da die Nationalstaaten des Westens in eine globale Entität transzendieren, nationalstaatliche Momente zeigen bzw. entwickeln, mutet ein wenig seltsam an.
In ganz Lateinamerika ist man nicht nur von dem immerwährenden Problem des Etatismus und Sozialismus betroffen, das dort in Wellen kommt und geht, sondern auch von der Idee beseelt, einen Block zu bilden, einen Block der Solidarität.
Wenn man sich gegen die zunehmende Auflösung der Nationalstaaten wehren möchte, benötigt man eine Doktrin, ein Narrativ, um das zu untermauern – etwas Identitätsstiftendes.
Vielleicht wird es der Kampf unserer Generation sein, philosophisch, militärisch und in jeder anderen Hinsicht, unsere Kinder und diejenigen, die unsere Kinder regieren, aus dem globalen, identitätslosen Mindset herauszuholen oder zu verhindern, dass sie überhaupt davon erfasst werden.
Aber woher soll die alternative Philosophie kommen, die Rückkehr zur früheren Philosophie der Nationalstaaten?
In den Ländern, die den Globalismus am stärksten vorangetrieben haben, wie Großbritannien in der Edwardianischen Ära, also vor mehr als hundert Jahren, gab es keine anderen ernsthaften Bestrebungen, außer dass es letztendlich eine Weltregierung geben würde. Die einzige Debatte, die zwischen den Herren geführt wurde, war, ob Großbritannien die ganze Welt regieren würde oder nur die Teile, die anglisiert werden konnten. Das war eine Frage, die sich um Lord Lothian und die Round-Table-Bewegung drehte.
Abgesehen davon scheint der Westen in Bezug auf seine nationalstaatliche Vorreiterrolle weitgehend am Ende zu sein.
Es wird also eine Weltregierung geben, wenn wir nicht etwas dagegen tun. Und vor allem, wenn wir, die frei denkenden Menschen der Welt, die nächste Generation nicht darin schulen, wie man Nationalstaaten regiert.
Aber wie?