BSR 51: Die Erde ist eine Scheibe

Die Erde war eine Scheibe. Sie krümmt sich vor einigen Jahrtausenden unter Pythagoras, Platon oder Aristoteles zur kugelförmigen Gestalt.

Die Erde war der Mittelpunkt des Universums. Bis Nikolaus Kopernikus sie im 16. Jahrhundert um die Sonne kreisen ließ. Wir Menschen waren gekränkt. Ernsthaft. Und zwar so sehr, dass die Erkenntnis und die damit einhergehende Zerstörung des Weltbildes, der Mensch sei mit seinem Planeten Erde der Mittelpunkt des Universums als „kopernikanische Wende“ bezeichnet wird, in psychologischer Hinsicht auch gerne als „kopernikanische Kränkung“.

Der Mensch war Gottes Schöpfung. Bis Charles Darwin im 19. Jahrhundert den Menschen das Ergebnis einer Entwicklung, einer Evolution sein ließ, die tierischen Ursprungs ist. Wir Menschen waren gekränkt. Erneut. Ernsthaft. Das zweite Weltbild ging zu Bruch. Menschen und Affen haben die gleichen Vorfahren. Die zweite kopernikanische Kränkung.

Der Mensch war ein ausschließlich bewusst und rational handelndes Wesen. Bis Sigmund Freud Anfang des 20. Jahrhunderts den Menschen ein Unbewusstes zuschrieb. Wir Menschen waren gekränkt. Ernsthaft. Erneut ging ein Weltbild zu Bruch. Der Mensch ist keine Maschine. Die dritte kopernikanische Kränkung.

Die Erde ist zu klein, dachte der britische Pfarrer und Ökonom Thomas Malthus um 1800, denn sie ist endlich – sowohl hinsichtlich ihrer Rohstoffe als auch hinsichtlich ihrer Größe, aber wir werden immer mehr Menschen, da muss uns doch bald die Erde ausgehen – und er (ent)führte uns in die Malthusianische Katastrophe.

Der amerikanische Biologe Paul Ehrlich, offensichtlich ohne großen Erkenntnisgewinn in 160 Jahren, dachte noch genauso, schrieb Ende der 1960er Jahre das Buch „The Population Bomb“ und war sogar bereit darauf zu wetten, dass er Recht hatte. Dazu gleich mehr.

Der Club of Rome dachte auch noch so und veröffentlichte das Buch „Die Grenzen des Wachstums“. Und nachdem die darin prognostizierten Grenzen keinerlei Begrenzung für das Wachstum darstellten, gab es ein neues Buch: „Die neuen Grenzen des Wachstums“.

Nun, die Erde ist natürlich keine Scheibe. Aber es dauerte, bis die Erkenntnis reifte.

Und die Erde ist auch nicht der Mittelpunkt des Universums. Aber es dauerte, bis die Erkenntnis reifte.

Und der Mensch ist auch nicht Gottes Schöpfung. (Naja, irgendwie schon, aber nicht hinsichtlich seiner Entstehung). Aber es dauerte, bis die Erkenntnis reifte.

Und der Mensch ist kein ausschließlich rationales Wesen. Aber es dauerte, bis die Erkenntnis reifte.

Und die Erde ist auch nicht zu klein, aber es wird offensichtlich noch ein wenig dauern, bis die Erkenntnis reift.

Wetten, dass …!

Paul Ehrlich, der Biologe, wettete mit Julian Simon, dem Ökonomen. Die Wette ging über 10 Jahre. Sie hatte fünf von Paul Ehrlich ausgewählte, für die Menschen unverzichtbare Güter zum Gegenstand. Wenn die Menschen immer mehr werden und die Rohstoffe der Erde endlich sind, dann müssten im Laufe von zehn Jahre die Preise steigen, weil die Güter im Laufe der Zeit knapper würden. So Paul Ehrlich. Julian Simon sah das anders. Er war davon überzeugt, dass die Preise sinken würden trotz Bevölkerungswachstum und steigendem Rohstoffverbrauch.

Simon gewann.

Wie kann das sein?

Ein Klavier, ein Klavier.

Wie viele Tasten hat ein Klavier?

Es sind 88. Die Anzahl der Tasten ist ganz offensichtlich begrenzt.

Wie viele Lieder sind in einem Klavier?

Merken Sie etwas?

Es sind ganz schön viele. Sehr viele. Nahezu unendlich viele.

Wie ist es möglich, dass sich aus der endlichen Anzahl von nur 88 Tasten nahezu unendlich viele Lieder kreieren lassen?

Merken Sie etwas?

Das Timeprice-Konzept

Es gibt einen Indikator für Güterknappheit: Der Marktpreis. Güter, die knapper werden, steigen tendenziell im Preis.

Der Preis allein ist aber kein guter Indikator für Wohlstandswachstum, weil er die Einkommenssteigerungen nicht berücksichtigt. Die Einkommenssteigerung ist wichtig zu kennen. Wenn wir also wissen möchten, ob und wie viel besser oder schlechter es den Menschen geht im Vergleich zu früheren Generationen oder im Vergleich zu anderen Ländern, ist es wenig hilfreich zu schauen, wie viel die Dinge bei uns oder bei anderen kosten oder wie viel sie heute kosten im Vergleich zu früher. Wir sollten uns stattdessen anschauen, wie lange die Menschen arbeiten müssen bzw. mussten, um sich bestimmte Güter leisten zu können. Es handelt sich dabei um das sog. Timeprice-Konzept:

Wenn wir die Anzahl der betrachteten Güter von fünf, wie in der Wette von Ehrlich und Simon, auf 50 und die Zeitspanne von 10 Jahre auf 150 Jahre erhöhen, bekommen wir einen Eindruck von dem enormen Wohlstand, der in den vergangenen 150 Jahren durch die Menschen für die Menschen geschaffen wurde und wie viel weniger die Menschen heute arbeiten müssen, um sich bestimmte Güter leisten zu können.

Wenn wir uns dann noch ins Gedächtnis rufen, um wie viel die Weltbevölkerung in der Zeit gewachsen ist, nämlich von rund 1 Milliarde auf rund 8 Milliarden Menschen, erkennen wir eine irritierende Korrelation: Je mehr Menschen wir werden, desto wohlhabender werden wir. Das heißt, desto weniger müssen wir im Durchschnitt arbeiten, um uns ein bestimmtes Gut leisten zu können.

Nochmal zum Mitschreiben: Je mehr Menschen, desto mehr Wohlstand für alle. Das ist die Korrelation! Kein Scherz. Das sagen die empirischen Fakten.

Wie kann das sein?

Die Auflösung ist vergleichsweise einfach: Die Kreativität und die Innovationsgeschwindigkeit der Menschen hat bislang möglicherweise drohende Knappheiten weit übertroffen – sei es durch die Erfindung von Alternativen, sei es durch verbesserte Möglichkeiten zur Entdeckung und Erschließung vorhandener Ressourcen. Der Innovationsvektor verläuft seit jeher steiler als der Verknappungsvektor. Den vielen Menschen sei Dank!

Armutsbeseitigung als Schlüssel

Droht uns also der Bevölkerungskollaps?

Die Antwort ist eindeutig: Nein. Warum nicht? Weil mit wachsendem Wohlstand tendenziell die Geburtenrate sinkt. Das heißt nichts anderes, als dass sich bei wachsendem Wohlstand die Bevölkerung auf der Erde einer Obergrenze annähern und dort stabilisieren wird. Das Bevölkerungswachstum wird sich also mit zunehmendem Wohlstand sukzessive verlangsamen.

Aus diesem Grunde sollte es das oberste Ziel sein, die Armut von Menschen zu beseitigen. Das heißt im Umkehrschluss natürlich auch, diejenigen Dinge zu unterlassen, die die Beseitigung von Armut verhindern oder gar zusätzliche Armut erzeugen.

Die Beseitigung von Armut ist auch noch aus einem anderen Grund wichtig: Wenn ich nicht weiß, woher ich meine nächste Mahlzeit bekomme, kümmert mich meine Umwelt herzlich wenig. Denn es geht um mein kurzfristiges Überleben. Umweltbewusstsein ist eine Frage des „es sich leisten könnens“.

Eine Grundvoraussetzung für die Beseitigung von Armut respektive für die Erzeugung von Wohlstand ist der Zugang zu günstiger Energie.

Die vereinfachte Kausalkette lautet wie folgt: günstige Energie erhöht die Produktivität einer Volkswirtschaft. Produktivitätssteigerung erzeugt Wohlstand. Wohlstand erhöht das Umweltbewusstsein und reduziert das Bevölkerungswachstum.

Das heißt Armutsbeseitigung ist der Schlüssel für eine Reduzierung des Bevölkerungswachstums und für eine Steigerung des Umweltbewusstseins. Und der Zugang zu günstiger Energie ist der Schlüssel zur Armutsbeseitigung. Ohne Energie keine Armutsbeseitigung!

Problem gelöst. Zumindest gedanklich.

Inwieweit das aktuelle politische Geschehen und die medial transportierten zumeist faktenbereinigten Ideologien zur Beseitigung oder doch eher zur Erzeugung von Armut beitragen, mag der geneigte Leser selbst beurteilen.

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(Wer sich gedanklich und emotional lösen möchte von den Weltuntergangspredigten und -predigern, findet in dem bereits 2002 erschienen Buch „Apocalypse No!“ von Björn Lomborg eine aufschlussreiche Zusammenstellung von Fakten, die die Errungenschaften der Menschheit ins richtige Licht rücken.

Das oben beschriebene Timeprice-Konzept mit allen dazugehörigen Daten und Fakten findet der um ein optimistisches Weltbild bemühte Leser in dem 2022 erschienen Buch „Superabundance“ von Marian Tupy und Gale Pooley.)