BSR 18: Über die Seriosität medialer Berichterstattung in Corona-Zeiten

SARS-CoV2, COVID-19 oder einfach nur Corona?

Positiv Getestete, Infizierte, Erkrankte oder einfach nur Corona-Fälle?

Worin besteht der Unterschied? Sollte im Rahmen der medialen Berichterstattung unterschieden werden? Sagt die Unterscheidung der Begrifflichkeiten in der medialen Berichterstattung womöglich etwas über die Seriosität eben dieser Berichterstattung aus?

SARS-CoV2 als Name des Virus.

COVID-19 als Name der Erkrankung, die durch das Virus SARS-CoV2 verursacht wird.

Corona als Name einer Virenfamilie, zu der neben dem Virus SARS-CoV2 auch zahlreiche andere Corona-Viren gehören.

Positiv Getestete als Anzahl der Menschen mit einem positiven Testergebnis.

Infizierte als Anzahl der Menschen, die mit dem SARS-CoV2 Virus infiziert sind.

Erkrankte als Anzahl der Menschen, die an COVID-19 erkrankt sind.

Corona-Fälle als undifferenzierte Pauschalierung, die positiv Getestete, Infizierte und Erkrankte in einen Topf wirft.

Gerade in Krisenzeiten kommt einer präzisen Begriffsverwendung in der medialen Berichterstattung eine elementare Bedeutung zu – lässt sich doch daran in der Regel gut ablesen, welche Intention der Autor respektive die Medienanstalt verfolgt. Liegt der Fokus auf Aufklärung, sollte begrifflich sauber differenziert werden. Wird begrifflich nicht sauber differenziert, ist davon auszugehen, dass der Fokus eher auf der Manipulation der Meinung des geneigten Medienkonsumenten liegt oder auf der schlichten Gier nach Zuschauern, Lesern oder einfach nur „Klicks“. Alternativ kann es natürlich auch schlicht journalistische oder fachliche Inkompetenz sein.

Warum ist eine saubere begriffliche Differenzierung wichtig?

Am 11.7.2020 war im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und zahlreichen anderen Medien folgende Schlagzeile zu lesen:

„Wieder neuer Höchstwert in den USA: Mehr als 66.000 Corona-Neuinfektionen an einem Tag“

Ist diese Aussage faktisch-inhaltlich richtig? Ist die Zahl der Neuinfektionen in den USA wirklich bekannt? Um eine solche Aussage treffen zu können, müsste jeden Tag für alle rund 330 Mio. Einwohner der USA die Anzahl der infizierten Menschen bekannt sein. Das hieße, es müssten jeden Tag 330 Mio. Tests durchgeführt werden und die Testergebnisse müssten eine Zuverlässigkeit von 100% aufweisen, damit die Anzahl der neu Infizierten auf Tagesbasis ermittelt werden kann. Nach letzten Medienberichten liegt die Anzahl der täglich durchgeführten Test in den USA bei 600.000, nicht bei 330 Millionen.

Welches Faktum liefert die Zahl der „mehr als 66.000 Corona-Neuinfektionen an einem Tag“ also wirklich?

Ehrlich gesagt, keines.

Warum?

Wie oben bereits ausgeführt, kann es sich gar nicht um die tatsächliche Anzahl Neuinfektionen handeln, weil nicht alle Einwohner der USA täglich getestet werden. Es kann sich also bestenfalls um die Anzahl von positiven Testergebnissen handeln, die an einem Tag ermittelt wurden.

Aber um welche Testergebnisse handelt es sich?

Es wird nicht von SAR-CoV2 gesprochen, sondern unspezifisch von Corona-Neuinfektionen. Auch im Bericht selbst wird im weiteren Verlauf nicht zwischen Corona und SARS-CoV2 differenziert. Es bleibt also für den Leser unklar, ob es sich um positive SARS-CoV2 Testergebnisse handelt oder um irgendwelche anderen Corona-Viren.

Auch gibt es in dem gesamten Bericht keinen Hinweis auf die verwendeten Tests und deren Güte, also deren Zuverlässigkeit, die durch Sensitivität und Spezifität des Tests definiert werden.

Und zu guter Letzt ist für den Leser nicht erkennbar, wie viele Tests überhaupt durchgeführt worden sind.

Sowohl die Güte der verwendeten Tests als auch die Anzahl der durchgeführten Tests sind von elementarer Bedeutung, um einen Bericht als Information oder als Manipulationsversuch einordnen zu können! Diese Bedeutung wurde bereits im Blogbeitrag Corona-Statistik condensed thematisiert.

Der Leser erfährt also nicht, ob die Zahl von mehr als 66.000 positiven Corona-Testergebnissen bereits um die falsch-positiven und die falsch-negativen Testergebnisse korrigiert wurde.

Bei 600.000 täglich in den USA durchgeführten Tests lägen zum Beispiel die Anzahl der falsch-positiven Testergebnisse bei Verwendung des Tests von Prof. Drosten mit einer Spezifität von 98,6% bei rund 8.400 und die Anzahl der falsch-negativen Testergebnisse bei rund 1.800. Das hieße, es würden statistisch 6.600 mehr positive Testergebnisse ausgewiesen werden als tatsächlich vorhanden sind. Das hieße auch, dass die in der Schlagzeile genannte Anzahl von mehr als 66.000 Neuinfektionen bereits eine Unschärfe von 10% aufweisen könnte.

Fassen wir kurz zusammen: Der Leser weiß nach dem Lesen des genannten Artikels nicht viel mehr als vorher; denn der Artikel liefert keine der Informationen, die erforderlich wäre, um das, was in der Überschrift behauptet wird, zu belegen oder überhaupt irgendwie einordnen zu können.

Der mediale Leitfaden für den geneigten Corona-Medienberichtskonsumenten sollte daher zweckmäßigerweise die Überprüfung eines „Corona-Berichts“ auf folgende Inhalte umfassen:

  • Wird begrifflich sauber differenziert zwischen SARS-CoV2 und COVID-19, positiv Getesteten, Infizierten und Erkrankten oder heißt es einfach nur Corona?
  • Werden die verwendeten Tests benannt?
  • Wird die Zuverlässigkeit der verwendeten Tests benannt?
  • Wird die Anzahl der durchgeführten Tests genannt, aus deren Gesamtanzahl die Anzahl positiver Testergebnisse resultiert?

Berichte, die diese elementaren Informationen vermissen lassen, sollte der geneigte Leser mit gebührender Vorsicht genießen. Die Informationen, die in einem Medienbericht nicht enthalten sind, sagen in der Regel wesentlich mehr über die Intention des Autors aus, als die im Bericht enthaltenen Informationen.

Dies setzt natürlich voraus, dass der geneigte Leser überhaupt Kenntnis über die Informationen hat, die in einem Medienbericht nicht enthalten sind.

So ist es zum Beispiel hilfreich zu wissen, dass jeden Tag in Deutschland rund 2.500 Menschen sterben, um Berichte über scheinbar durch bestimmte Krankheiten verursachte Todesfälle besser einordnen zu können.

Ebenso hilfreich kann es sein zu wissen, dass es Berichte im britischen Telegraph und in der amerikanischen Washington Post über Corona-kontaminierte Komponenten für Test-Kits gegeben hat.

Und damit endet dieser Beitrag wie so viele Beiträge – mit dem Hinweis auf die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen. Es sind alle relevanten Informationen im Internet vorhanden. Jeder Einzelne hat die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren.

Wer seine Informationen aber nur gezielt dort sammelt, wo in der Vergangenheit bereits nachweislich unvollständig und manipulierend berichtet wurde, darf sich über sein verzerrtes Bild der Realität nicht wundern. Aber derjenige merkt es ja selbst nicht. Nur alle anderen.

Es ist nur bedrückend, sogar beängstigend, wenn die Anzahl derer, die es offensichtlich nicht merkt, die Mehrheit der Bevölkerung eines Landes ausmacht.